November 2020, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten.
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Der Korridor ist lang und die rechte Seite ist verschüttet. Das Haus ist an diversen Stellen in sich zusammengefallen. Von außen habe ich diese Schäden gar nicht bemerkt.
Das Tapsen auf dem Holzboden kommt von der linken Seite. Eine Wand trennt mich von dem Geräusch. Es ist sicher ein Alpakal. Ob er mich wie ein Wolf riecht? Mit erhobenem Schwert gehe ich langsam und mit äußerster Vorsicht vorwärts. Die Rüstung ist so schwer, dass das Schleichen nicht vollständig geräuschlos ist.
Die Anspannung zieht sich durch den ganzen Körper und mein Herz schlägt immer lauter. Ob die Bestie das spürt? Die Tatsache, dass ich wie eine kleine Kerze leuchte, ist auch kein Vorteil. Ich sollte es ausschalten, nur wie? Ich denke in mich hinein: Licht aus! Kein Erfolg. Es bleibt hell. Immerhin sehe ich den Alpakal dafür.
Am Ende des Flurs teilt sich der Weg in zwei Richtungen auf. Mit gehobener Klinge schreite ich nach links. Nicht weit von mir erhasche ich eine offene Tür. Das Tapsen hat aufgehört. Ich horche erneut in die Stille und bewege mich nicht von der Stelle. Auf einmal füllt ein schriller, lauter Ton die Ruhe. Er dröhnt im Kopf. Reflexartig verschließe ich die Ohren mit den Händen. Ich bekomme einen Schweißausbruch und mein Herz schlägt schneller und schneller. Was passiert hier? Woher kommt diese urplötzliche Panik? Ich knie mich hin und presse meine Hände härter an die Ohren. Die Atmung wird immer unkontrollierter und ich spüre ein Stechen in der Brust. Dann endet der Ton. Ich muss Ruhe bewahren!
Plötzlich schluchzt ein Mann im Nebenraum. »Nein! Bitte nicht! Nein!«
Bei Stellux! Jetzt ist keine Zeit für Panik. Ich schließe die Augen und atme einmal tief durch. Es funktioniert! Ich beruhige mich. Rasch betrete ich den Raum und eile zur Hilfe. Da ist der Alpakal! Ich sehe ihn! Mit allen vier Beinen, gestrecktem Körper und dem Gewicht auf seinen Hinterbeinen steht er vor dem Fremden.
Er ähnelt einem Wolf, doch es gibt einige entscheidende Unterschiede: Er besitzt kein Fell, sondern zerfetzte Hautlappen. Sie sind überall an seinem Körper. Der Kopf sitzt auf einem viel zu langen Hals, der aus einer schwarzen, pulsierenden Materie besteht. Die gleiche Masse ragt auch aus seinem Hinterteil und formt Schwänze. Er ist dabei vollständig von einer violetten Flamme ummantelt.
Der Fremde ist verängstigt und wimmert. Es ist der Ehepartner von Frau Barhain. Der Alpakal ist so fokussiert, dass er meine Anwesenheit nicht wahrnimmt. Seine Haut schimmert und er gibt fremde Geräusche von sich.
Violette wellenartige Wolken entstehen am Körper von Herrn Barhain. Der Alpakal saugt sie nach und nach auf. Bei jeder Absorption entfachen seine Flammen stärker. Ich bin fasziniert von dem Ereignis. Nein! Ich greife ein!
Mit einem Impuls von Tapferkeit schreite ich auf den Alpakal zu und schlage auf den Hals des Untiers ein. Ich enthaupte ihn. Seine Flamme erlischt. Der Kopf sinkt mit dem nahezu kompletten Hals zu Boden. Der Rest des Körpers zuckt krampfhaft und macht Schritte vor und zurück, bis er zusammenfällt. Ist er tot? Das ist einfacher als erwartet. Ich atme kurz durch und Herr Barhain scheint wieder einen normalen Zustand zu erreichen.
Als ich ihn auf das Geschehene anspreche, merke ich, wie sich etwas an meinen Füßen hinauf schlängelt. Ich schaue an mir herunter und sehe dem Kopf des Alpakals direkt in die roten Augen. Unmöglich! Eine längliche Zunge schlingt sich um meinen Hals. Panisch greife ich nach dem Kopf und lasse das Schwert dabei fallen. Er ist glitschig und feucht. Es fällt mir schwer, ihn festzuhalten.
Die Zunge zieht sich immer fester zu. Ich bekomme keine Luft mehr! Mit offenem Maul und weißen, scharfen Zähnen versucht der Kopf, die Kehle zu erreichen. Ich drücke ihn mit aller Kraft zurück. Mein Herz pocht. Was jetzt?
Ich kralle mich in die Hautfetzen der Bestie und drücke den Kopf höher. Die Schmerzen steigen. Dann beuge ich mich nach vorne und versuche, die Zunge verzweifelt mit meinem Mund zu erreichen. Mit letzter Kraft beiße ich hinein. Es fühlt sich an, als kaue ich auf einen von Vaters Gürteln. Ich muss sie durchtrennen!
Im letzten Augenblick schaffe ich es, die Schlinge zu kappen, und werfe den abscheulichen Kopf mit Wucht zu Boden. Dieser schlängelt sich schlagartig wieder in meine Richtung. Zeitgleich rammt Herr Barhain ihm mit einem kräftigen Hieb einen Dolch direkt in die Schläfe. Der Alpakal bewegt sich nicht mehr. Ich falle erschöpft auf die Knie. Was ist das für ein Ort? Was sind das für schreckliche Wesen?
»Die Biester musst du immer am Kopf erwischen. Alles andere ist zwecklos.« Mit einem Ruck zieht Herr Barhain die Klinge aus dem Schädel des Untiers.
Ich entferne die Reste der rauen Zunge von meinem Hals und werfe sie so weit weg wie möglich. »Danke. Sie haben mir das Leben gerettet.«
»Ich wollte ihn aus dem Hinterhalt angreifen, aber diesen Angstschrei habe ich unterschätzt. Mein Körper ist außer Kontrolle geraten. Dann hat dieses Biest angefangen mich auszusaugen. Ich habe es gefühlt. Er war in mir! Wenn du nicht eingegriffen hättest, wäre das mein Ende gewesen. Genau genommen hast du also vorher mein Leben gerettet.« Herr Barhain lächelt und reicht mir die Hand. »Wir dürfen keine Zeit verlieren! Es sind noch mehr Alpakale hier und meine Söhne sind auf dieser Etage! Am besten wir teilen uns auf! Ich nehme den rechten Flurbereich. Vergiss nicht, dass du diese Dinger immer am Kopf erwischen musst!«
Er verschwindet in der Dunkelheit. Noch mehr dieser Dinger? Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Oh Stellux, steh mir bei.
Nach einigen Schritten entdecke ich einen weiterer Raum auf der rechten Seite. Kurz lauere ich an der Kante und betrete ihn dann ruckartig. Es ist niemand zu sehen. Ein Bett und einige Schränke füllen das Areal.
»Hallo? Ist hier jemand?« Stille. Ich verlasse das Zimmer. Auf einmal springt mich etwas von der Seite an. Es reißt mich zu Boden. Ich schaue in das Gesicht eines weiteren Alpakals! Er zögert keine Sekunde und greift mit offenem Maul an. Im letzten Augenblick halte ich mein Schwert horizontal über mir und drücke seinen Körper weg. Der Hals ist zu kurz. Er erreicht mich nicht.
Die Gefahr ist dennoch nicht gebannt. Nach und nach verlängert er sich. Wie ist das möglich? Ich reiße mit einem Ruck mein Schwert durch seinen Hals, bevor es zu spät ist. Er ist enthauptet. Ich rolle mich zur Seite und springe auf. Hastig suche ich den Holzboden nach dem Kopf ab.
Wo ist er? Wo ist er? Da! Direkt vor mir! Ich sehe ihn! Er huscht über den Boden und kommt immer näher. Bevor er mich erreicht, ramme ich ihm das Schwert tief in seinen Schädel, bis in das Holz hinein. Schweißgebadet halte ich den Griff fest. Ich stütze mich ab. Ist es vorbei? Bei Stellux! War das knapp! Nicht auszudenken, wenn einmal zwei von diesen Dingern auftauchen.
Ich spüre einen leichten Schmerz an der rechten Hüfte und sehe, dass die Krallen des Alpakales sich beim Fall tief zwischen die Rüstung gebohrt haben. Ich halte kurz ein. Doch die Ruhe ist nicht von Dauer, da plötzlich ein Junge aus dem hinteren Korridor kreischt: »Verschwinde! Geh weg von mir, du Monster!«
Ich drücke meinen Fuß auf den Kopf des Alpakales und entferne das Schwert. Im Anschluss hetze ich unter Schmerzen los. Es erwartet mich ein großer Wohnbereich mit einer Treppe, die in ein höheres Stockwerk führt. Oben ist ein Junge. Er wirft ein Objekt nach dem anderen auf einen weiteren Alpakal, um sein Voranschreiten zu unterbrechen. Wie viele von diesen Bestien laufen hier bloß rum? Ich schleiche mich vorsichtig an. Doch es ertönt wieder dieser schrille Ton. Verdammt! Ich halte mir rasch die Ohren zu, gehe auf die Knie und atme langsam ein und aus.
Der Junge schreit auf und sinkt ebenfalls zu Boden. Meine Muskeln verkrampfen. Noel, beruhige dich! Du schaffst das! Ich denke an Anna und ihr bezauberndes Lächeln. Dann durchströmt mich eine belebende Wärme und mein Körper entspannt.
Ich stehe auf. Der Alpakal bahnt sich bereits einen Weg zu seiner Beute. Er muss aufgehalten werden! Ich greife mir ein von oben geworfenes Objekt und schleudere es ihm entgegen. Volltreffer! Ich treffe den Alpakal am Kopf und er bricht kurzzeitig zusammen, wodurch er die Treppe hinunterfällt. Trotz des harten Schlags erhebt er sich und starrt mich mit seinen roten Augen an. Langsam verlängert sich sein Hals. Er verdreht ihn und sein Kopf dreht sich mehrfach um die eigene Achse. Mit einem Zischen streckt er seine Zunge flatternd aus. Widerlich!
Ich nutze diesen Moment und eile schwertschwingend auf ihn zu. Verfehlt! Der Alpakal ist ausgewichen. Ein zweiter Versuch schlägt ebenfalls fehl. Er kontert und schnappt nach mir. Ich weiche hastig zurück.
Die Bestie fährt ihren Hals wieder ein und wagt einen Sprung. Mit ausgefahrenen Krallen kommt sie auf mich zu und ich weiche zur linken Seite aus. Mein Rücken kollidiert mit einem Schrank. Der Alpakal gibt mir keine Zeit zur Erholung und schnappt mit ausgestrecktem Hals nach mir. Er verfehlt mich um wenige Millimeter. Jetzt habe ich eine Chance! Ich falle auf die Knie und ramme mit aller Kraft meine Schwertspitze von unten in seinen Gaumen. Getroffen! Er sinkt mit einem schrillen Kreischen zu Boden. Dann ziehe ich die Klinge aus dem Untier und stupse es einige Mal mit ihr an. Keine Reaktion. Bei Stellux, er ist tot!
Ich gehe die Treppe hinauf und betrachte die Objekte, die der Junge dem Alpakal entgegengeworfen hat. Es sind diverse Werkzeuge, Bücher und eine Büste aus Stein. Auf einem der Schriftstücke erkenne ich einen Titel: ›Galvanna – mehr als eine Vision‹.
Oben angekommen, schaue ich mich nach dem Jungen um. Er sitzt mit den Armen verschränkt und verängstigt in einer Ecke.
»Hallo Junge. Darf ich fragen, wie du heißt?« Ich lächle und falle vor ihm auf die Knie.
Er hebt seinen Kopf und schaut mich voller Trauer an: »Geh weg! Ich bin allein. Ich bin für immer allein!«
»Da muss ich dir widersprechen, kleiner Mann.« Ich ergreife ihn sanft an seiner Schulter. »Ich bin schließlich hier und beeindruckt von deiner Tapferkeit.«
Er schaut überrascht und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ich heiße Vared Barhain. Es ist überall so dunkel hier. Ich kann meinen Bruder und meine Eltern nicht finden. Sie sind bestimmt schon tot!«
»Auch in der dunkelsten Stunde gibt es Licht, wenn man nur fest daran glaubt. Deine Eltern habe ich bereits getroffen. Als ich sie gesehen habe, ging es ihnen noch gut. Wir sollten zu ihnen gehen, meinst du nicht?« Ich reiche Vared die Hand und helfe ihm auf. Langsam und entkräftet schreiten wir die Treppe herunter. Ich lausche aufmerksam in die Dunkelheit, um neue Gefahren frühzeitig zu erkennen.
Zurück am Eingang erwartet uns eine kleine Person im Korridor. Sie steht regungslos da. Ist das der andere Sohn? Wir bewegen uns auf ihn zu. Als er durch mein Licht sichtbar ist, sehe ich erneut in verschiedenfarbige Augen. Er trägt ein kleines Messer in der linken Hand. Es ist voll mit schwarzer Flüssigkeit, die auf den Holzboden tropft.
»Silas, du lebst!« Vared rennt auf seinen Bruder zu. »Wo sind Mutter und Vater? Was ist passiert?«
»Sie sind bereits unten. Ich habe gesagt, dass ich euch hole.«
Der Junge soll uns holen? Allein? Was, wenn die Alpakale ihn finden? »Dein Vater lässt dich allein, obwohl diese Dinger hier rumrennen?«
»Sie sehen mich nicht. Ich empfinde keine Angst.«
»Silas kann nichts fühlen. Weder Schmerz, Furcht oder positive Gefühle. Alpakale reagieren nur darauf.« Vared klopft seinen Bruder freudig auf den Rücken.
Er fühlt nichts mehr? Wie grausam! Wie ist es wohl dazu gekommen?
»Ich habe vier von ihnen abgestochen«, sagt Silas. »Sie liegen dort hinten.«
Der Junge ist beängstigend. Wenn ich mir überlege, was für Schwierigkeiten ich mit diesen Wesen hatte. Wir sollten den Ort schnellstens verlassen und zu den Eltern aufschließen. Ich fordere die Brüder auf, mir zu folgen. Vor dem Haus treffen wir dann Herrn und Frau Barhain. Beide rennen freudig zu ihren Kindern und schließen sie in die Arme.
»Wie können wir euch für euren Mut und eure Tapferkeit danken, junger Mann?«, fragt mich Herr Barhain. »Wie ist überhaupt euer Name?«
»Er heißt Leon, Liebling«, antwortet seine Frau.
»Nein, nicht Leon. Mein Name ist Noel. Noel Forstschlag.«
Plötzlich ist alles grell und das Sichtfeld löst sich auf. Ich höre nur meine eigenen Worte. Sie erklingen ohne Unterbrechung: »Mein Name ist Noel. Noel Forstschlag.«
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