November 2020, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten.
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Ein Luftzug dringt durch die Tür. Es riecht verbrannt. Das Feuer hat sich im Dorf ausgebreitet. Die Dorfbewohner sind verstummt und der Eingang wird durch einen großen Mann versperrt.
Sein Erscheinungsbild ist imposant. Er trägt eine blaue, ärmellose Jacke. Sie ist so klein, dass sie seinen muskulösen Körper nur im Ansatz verdeckt. Die Beine sind durch eine schwarze Hose ummantelt. Dazu trägt er einen braunen Gürtel um die Hüften. Der Verschluss zeigt ein goldenes Flammenemblem.
Über seinem Kopf ist ein Griff erkennbar. Sein Ende ist mit einem roten Edelstein geschmückt. Er trägt ein Schwert auf dem Rücken!
Sein langes, gelocktes Haar verdeckt sein rechtes Ohr und Teile des Gesichtes. Er starrt uns mit strengem Blick an.
»Was ist hier geschehen?« Er geht auf uns zu.
Die Fremden bewegen sich hektisch auf der Stelle hin und her.
»Ich denk, gefunden hat uns der Feuerrote!«
»Ich weiß, zu früh. Schnell! Wir bringen es zu Ende, bevor er es verhindert, der Götterbote.«
Ein neuer Knall ertönt. Reflexartig zucke ich zusammen und verkneife die Augen. Ich verspüre keinen Schmerz. Die Hand des Feuerroten ist direkt vor meinem Gesicht.
Im nächsten Augenblick packt dieser einen der Fremden an der Kehle. Mit ausgestrecktem Arm hebt er ihn bis zur Decke. Das Messer in seinem Hals fällt dabei zu Boden. Es kommt abermals zu einem lauten Knall. Der Feuerrote bleibt unversehrt. Nur eine kleine Flamme erscheint an seinem Körper.
Der Fremde hat wieder seine Waffe benutzt. Nach einem Funkenschlag bohrt sich ein Geschoss in das Opfer, ähnlich wie ein Pfeil. So hat er meine Eltern ermordet. Warum hat es ihn diesmal nicht verletzt? Und wieso bekämpfen sie sich überhaupt? Gehören sie nicht beide zu Galvanna?
»Ihr habt meine Männer getötet und ihre Körper übernommen.« Der Feuerrote greift sich den zweiten Fremden, ebenfalls im Würgegriff. »Ich sehe die Dunkelheit in euren Augen. Was hat Abschaum wie ihr an einem Ort wie diesem verloren?«
»Ich denk, er weiß es nicht.«
»Ich weiß, er denkt es nicht.«
Der Feuerrote seufzt lautstark. »Warum rede ich überhaupt mit euch Narren? Wenn ich eure wahren, jämmerlichen Gestalten finde, sorge ich dafür, dass ihr ein qualvolles Ende erleidet.«
Mit einem Mal fangen die Fremden an zu brennen. Ein Hitzeschwall erreicht mein tränenüberzogenes Gesicht und ich drehe den Kopf zur Seite. Der Feuerrote schleudert sie unter lautstarkem Geschrei aus dem Haus.
Seine Schwertscheide ist jetzt sichtbar. Ich habe noch nie in der Schmiede von Norbert ein solches Schwert erblickt. Es ist so breit und lang wie mein Körper selbst. Die Scheide ist schwarz und mit einer roten, flammenartigen Bemalung verziert. Bei dieser Größe muss es unglaublich schwer sein. Wie schwingt er ein solches Schwert?
Der Feuerrote dreht sich zu mir um. Im Hintergrund brennen die Fremden weiter. Die Schreie sind verstummt. Er kniet sich vor mir nieder und schaut mir dabei tief in die Augen. Er lächelt.
»Hallo Junge, darf ich fragen, wie du heißt?«
Tränen fließen über meine Wangen. Es fühlt sich noch immer an wie ein Traum. Was passiert hier bloß? Wie konnte es nur so weit kommen?
»Mutter und Vater sind tot!«, schreie ich heraus. Ich meide es, ihre leblosen Körper anzusehen und verschränke die Arme auf den Knien, um meinen Kopf tief darin einzutauchen. »Geh weg! Ich bin allein. Ich bin für immer allein!«
»Da muss ich dir widersprechen, kleiner Mann.« Er fasst mir sanft auf die Schulter. »Ich bin schließlich hier und beeindruckt von deiner Tapferkeit.«
Was? Was hat er da gerade gesagt? Diese Worte, ich habe sie schon einmal gehört. Ich erinnere mich. Der Traum von heute Morgen!
Ich erhebe mich und starre in seine verschiedenfarbigen Augen. Diese Augen! Ist es er? Das ist unmöglich.
»Du bist es!«
»Was?« Der Feuerrote neigt seinen Kopf verwundert zur Seite. »Wer bin ich?«
»Vared Barhain.«
Er zieht mit geöffnetem Mund seine Augenbrauen hoch. Für einen Moment ist es ruhig. Ich habe Recht. Er ist der kleine Junge aus diesem riesigen Haus.
»Auch in der dunkelsten Stunde gibt es Licht.« Ich wiederhole die Worte aus dem Traum.
Doch bevor ich sie zu Ende ausspreche, unterbricht mich Vared. »Wenn man nur fest daran glaubt, kleiner Mann!«
»Wie ist das möglich? Du warst in meinem Traum. Jetzt stehst du hier? Träume ich etwa doch?«
»In deinen Träumen?« Er schüttelt den Kopf. »Das ist kein Traum. Es tut mir Leid. Deine Eltern sind tot.«
Kein Traum? Die Schreie und das Feuer? Es ist alles echt? Ich breche erneut in Tränen aus und schluchze.
Vared steht auf. Er schaut zu mir hinab und reicht mir die Hand. »Du hast etwas Einzigartiges an dir. So sehr, dass es die Dunkelheit in die Tiefen des Waldes geführt hat. Komm mit mir, kleiner Mann, und wir finden gemeinsam heraus, was es damit auf sich hat!«
»Wer waren diese Männer? Sie waren keine Menschen, oder?«
»Ich kann dir nicht genau sagen, ›was‹ sie waren. Aber ich kann dir versichern, dass sie wiederkommen. Deswegen bitte ich dich, bei mir zu bleiben.«
Bei ihm? Vertraue dem Feuer. Es leitet deinen Weg. Das waren Mutters Worte. Meinte sie etwa ... ihn? Hat Stellux ihn geschickt? Er muss ihn geschickt haben.
Ich reiche ihm meine Hand und erhebe mich.
»Was ist mit den anderen geschehen?«, frage ich.
»Sie warten am Ende der Lichtung.«
»Das heißt, sie sind gar nicht tot?«
»Ha! Nein! Keineswegs.«
Ein Schwall von Erleichterung überkommt mich.
»Aber warum dann das Feuer? Warum seit ihr hier? Was habt ihr vor?«
»Du stellst viele Fragen, kleiner Mann. Die Zeit dieser Siedlung ist vorüber. Sie wurde geduldet – bis zum heutigen Tag. Ich kann dir nicht sagen, wieso. Ich weiß es nicht und es interessiert mich auch nicht. Mein Auftrag ist es, diese Siedlung niederzubrennen und euch sicher nach Galvanna zu bringen.«
Er begibt sich nach draußen und hält seinen rechten Arm an den Eingang des Hauses. »Ich werde deine Eltern in eurem Zuhause beerdigen. Verabschiede dich von ihnen.«
Nach Galvanna? Mutter, Vater, wusstet ihr, dass dies geschieht? Wieso habt ihr mir nie etwas gesagt? Warum musstet ihr mir immer alles verschweigen? Ich balle die Fäuste. Wie soll ich das ohne euch schaffen?
Im Augenwinkel sehe ich das Messer, das mir Vater geschenkt hat. Du bist jetzt ein wahrer Forstschlag, mein Sohn. Seine Worte erklingen in meinem Kopf und ich greife mir die Klinge.
Das ist also alles, was mir von dir geblieben ist. Ob du jetzt mit Mutter im Reich von Stellux bist?
Ich gehe zu Vaters Leiche und lege seine Axt auf ihn.
»Nicht, dass du sie wieder verlierst.«
Seine Haut ist erschreckend kalt.
»Ich liebe dich auch, Papa. Es tut mir leid.«
Erneut voller Tränen wende ich mich ab und blicke nicht mehr zurück. Meine Beine sind schwer.
Draußen angekommen schaue ich zu Vared. »Du kannst Feuer erschaffen. Bist du überhaupt ein Mensch?«
»Ich bin ein Mensch, keine Sorge.« Er lacht. »Du lebst schon dein ganzes Leben in diesem Dorf, oder? Es gibt viel, das du nicht weißt.«
»Ja« Ich seufze. »Meine Eltern haben uns nie davon erzählt, was sich hinter dem Wald befindet. Wir sollten es erst erfahren, wenn wir achtzehn Jahre alt sind.«
Vared hebt skeptisch seine Augenbrauen. »Ihr seid ein komischer Haufen. Ich habe diese ganze Brenshar-Gemeinde eh nie verstanden. Aber das hat jetzt sowieso ein Ende.«
Er entzündet das Haus. Nach und nach breiten sich die Flammen aus. Seine Hand lässt er im Feuer. Sie bleibt unversehrt.
»Wie ist das möglich? Warum verbrennst du dich nicht? Ist das etwa ›Magie‹?«
»Du kennst Magie? Du bist wirklich ein besonderer kleiner Mann. Ich beherrsche die Magie, aber Menschen sind normalerweise nicht in der Lage, sie zu wirken. Es gibt nur wenige Ausnahmen. Aber für diese Geschichte haben wir keine Zeit.«
Das Feuer hat das ganze Haus verschlungen. Die Hitze ist unerträglich. Ich gehe einige Schritte zurück und drehe mich um. Die anderen Flammen aus dem Dorf sind erloschen. Viele Häuser sind zu Asche verfallen. Warum verbrennen sie alles, was wir aufgebaut haben? Ich verstehe das nicht. Von den anderen Dorfbewohnern ist keine Spur. Wo bist du, Anna?
»Ich sehe niemanden mehr. Sagtest du nicht, sie sind am Ende der Lichtung?«
Vared rückt zu mir auf und schaut sich ebenfalls um. »Du hast Recht. Sie sollten eigentlich warten. Wo sind sie hin?«
In der Ferne erscheint plötzlich ein Schatten. Er bewegt sich sehr schnell. Die Geschwindigkeit ist unmenschlich.
»Da kommt etwas!«, rufe ich und greife nach dem Messer.
Was auch immer dort auf uns zukommt. Es hält mich nicht davon ab, Anna zu finden. Sie ist alles, was ich noch habe.
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