November 2020, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten.
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Die Nacht ist still. Wir sind auf dem Mastar-Pfad und Vared trägt Mira. Er hat sie vor kurzem ohne ihre Erlaubnis über die Schulter geworfen. Sie war alles andere als begeistert, hat am Ende aber eingesehen, dass wir so schneller sind.
Es ist nicht mehr weit. Jeder von uns hat eine blaue Blüte, die mit ihrem Licht die Dunkelheit erhellt.
Ein Wolf steht uns im Weg. Er knurrt und fletscht die Zähne. Seine Augen sind auf den Kommandanten gerichtet.
»Noch so einer. Ich dachte ich hätte vorhin alle vertrieben.« Vared stöhnt. »Der hat sich wohl verlaufen.«
»Warte!« Ich strecke meine Hand aus. »Dieser hier ist anders. Ich kenne ihn. Das ist Lucky. Anna hat sich gestern mit ihm angefreundet.«
»Bist du dir sicher? Er sieht nicht sehr freundlich aus.«
»Ja.« Ich nähere mich dem Wolf mit vorsichtigen Schritten. Bleibt zu hoffen, dass ich recht behalte.
Als er besser zu sehen ist, erkenne ich eine Menge Blut an seinem Fell. Um ihn herum ruhen tierische Kadaver. »Bei Stellux, er ist verletzt! Hier liegen noch mehr Wölfe. Sie haben alle schwere Bisswunden. Ich glaube, es gab einen Kampf zwischen ihnen.«
»Lässt mich jemand mal runter?«, fragt Mira. »Ich sehe nichts.«
»Warum sollten sie sich bekämpfen?« Vared stapft einige Schritte nach vorn.
»Vielleicht hat er Anna beschützt.« Ich greife ihre Tasche an meinem Gürtel und halte sie Lucky hin. Er schnuppert an ihr. Dann rennt der Wolf einige Meter voraus und dreht sich um. »Er will, dass wir ihm nachgehen. Er führt uns zu Anna!«
»Oder zu einer riesigen Feuerbestie, die uns mit ihrem Kiefer zermalmt.« Mira fasst sich mit den Händen an den Kopf. »Verdammte Scheiße, was mache ich hier eigentlich?«
»Deinen Job«, erwidert Vared trocken.
Kurze Zeit später erreichen wir die Wand aus orangenem Rauch. Der Feuerrote setzt Mira ab. »Ab hier kannst du selbst gehen, Malnada.«
»Wurde aber auch Zeit.« Sie zupft sich ihre Klamotten zurecht und beobachtet die Nebelwand vor uns. »Da müssen wir durch? Na großartig.«
»Die Blumen schützen uns.« Ich gehe einige Schritte vor und deute auf den Rauch, der sich nach und nach zurückzieht.
»Gehen wir.« Vared lässt sich von Lucky leiten. Mira und ich sind direkt hinter ihm.
»Glaubt ihr, es besteht die Möglichkeit, dass wir das Mädchen finden, ohne diesem Ignaeria zu begegnen?« Mira rollt mit ihrem Finger einige Locken in den Zopf. Direkt danach ertönt ein dröhnendes Gebrüll in der Nacht und die Erde bebt. »Ist ja gut. Ein Nein hätte mir gereicht.« Sie seufzt.
»Macht euch bereit. Er kommt!«, ruft Vared. Er stellt sich schützend vor uns. »Ich halte ihn auf und ihr sucht das Mädchen. Verstanden?«
»Können Sie ihn nicht einfach verbrennen?« Miras Gesichtszüge sind angespannt.
»Malnada! Konzentrier dich. Diese Bestie besteht innerlich aus Feuer. Meine Flammen sind wirkungslos. Dazu kommt, dass wir in diesem Rauch ohnehin schon wenig Luft zum Atmen haben.«
»Sie sind sich aber sicher, dass sie ihn besiegen?«
Vared schüttelt den Kopf. »Nein. Die Chancen stehen schlecht. Am besten, ihr findet das Mädchen schnell.«
Mira schaut mit hochgezogener Augenbraue zu mir. Ihr Gesicht lässt mich vermuten, dass sie sich gerade wünscht, bei Norbert und Torwald zu sein.
»Das Beben hat aufgehört. Er ist ganz in der Nähe.« Vared hebt die Hand und beobachtet aufmerksam den Rauch.
»Woher wissen wir, von wo er angreift?« Mein Herz pocht rasend schnell. Alle stehen gebannt da und warten auf eine Reaktion – ein Zeichen. Irgendetwas, das diese bedrückende Ruhe vor dem Sturm beendet.
Lucky knurrt und fixiert dabei einen bestimmten Punkt im Rauch.
»Der Vierbeiner hat hoffentlich den richtigen Riecher.« Vared schiebt sein rechtes Bein für einen festen Stand nach hinten und dreht sich zu der Stelle.
Sekunden später schnellt der Ignaeria mit offenem Maul aus dem Rauch. Vared greift ihn am Ober- und Unterkiefer und stoppt seinen Ansturm. Der beim Aufprall entstandene Druck beider Kontrahenten stößt Mira und mich zu Boden.
»Hallo Großer!« Vared hält mit all seiner Kraft das Maul der Bestie fest. »Du hast ganz schön Mundgeruch.«
Die Hitze aus dem Schlund der Kreatur ist unerträglich. Mira, Lucky und ich weichen weiter zurück.
»Sucht endlich das Mädchen!«, ruft uns Vared zu. »Ich kümmere mich um unseren neuen Freund.«
»Wehe, Sie sterben!« Mira verzieht ihre Mundwinkel.
»Wir müssen uns erst mal beschnuppern.« Vared wirft das Maul mit einem Kampfschrei zurück. Der Ignaeria schnappt in die Leere. Im nächsten Moment zieht der Feuerrote sein Schwert und holt mit einer Drehung Schwung. Mit einem lauten Knall prallt die Breitseite der Klinge auf den steinernen Kopf der Bestie und sie verliert das Gleichgewicht. Wir nutzen den Augenblick und eilen los. Mit Hilfe der Tasche bringe ich Lucky dazu, dass er die Fährte von Anna nochmals aufnimmt.
Mein Blick ist bei Mira, die krampfhaft versucht ihre Schmerzen beim Rennen zu unterdrücken.
»Schaffst du es?«
»Geht schon. Wer ist diese Anna eigentlich, dass wir unser Leben für sie aufs Spiel setzen?«
»Sie ist meine Freundin. Wir waren dabei, die Dorfbewohner vor euch zu warnen, und haben uns beim Fest aufgeteilt. Seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen.«
»Freundin, verstehe.« Sie lächelt.
»Nein. Nicht so!« Meine Backen heizen sich auf. »Wir sind nur Freunde.«
»Klar.« Sie zieht ihre Augenbrauen hoch. »Wir hatten nebenbei nicht vor, jemanden zu verletzen. Ein Spion hat uns darüber unterrichtet, dass alle Dorfbewohner heute an einem Ort versammelt sind. Der Auftrag war eindeutig: Das Dorffest stürmen und die Brenshar-Gemeinschaft sicher nach Galvanna begleiten. Oskar war ein Idiot. Er wollte dem Kommandanten beweisen, dass er die Mission auch alleine schafft.«
»Ich verstehe das nicht.« Ich mache eine nachdenkliche Geste. »Wenn es nicht eure Absicht war, uns zu schaden, warum habt ihr das Dorf niedergebrannt? Warum zwingt ihr uns, unsere Heimat zu verlassen?«
»Das ist kompliziert. Wenn wir das hier überleben, erkläre ich es dir.«
»Ok. Zuerst retten wir Anna. Sie ist irgendwo in diesen Ruinen.«
»Wir sind vermutlich nah dran.« Mira zeigt auf einige rote Flecken auf dem Boden. »Dort vorne ist Blut.«
»Ist das etwa von Anna?« Ich renne zu dem mit Blut bedeckten Boden. Der Rauch deckt eine ganze Spur auf. Lucky folgt der Fährte. Sie ist tatsächlich von Anna.
Ist ihr etwas zugestoßen? Nika meinte doch, sie sei beim Ignaeria sicher. Wie kann das sein?
»Deine Freundin ist verletzt.« Mira steckt ihren Finger in einen der Tropfen und zerreibt das Blut in der Hand. »Es ist frisch. Sie ist in der Nähe.«
»Ich muss zu ihr!« Ich rufe ihren Namen durch die Nacht. »Anna!« Mira unterstützt mich. Im Hintergrund bebt die Erde. Vared kämpft noch immer mit der Bestie.
Nach kurzer Zeit deckt der Rauch eine größere Ruine auf. An einer der Steinsäulen lehnt Anna. Ich renne sofort los.
»Anna! Ich habe dich endlich gefunden.«
Sie reagiert nicht. Als ich mich ihr nähere, sehe ich den Grund. Sie ist bewusstlos! Ihre Hände liegen auf einer tiefe Wunde an der Hüfte. Ihr sonst bezauberndes Kleid ist verdreckt und an einigen Stellen zerrissen.
»Anna. Hörst du mich?« Ich rüttle vorsichtig an ihr. Mein Herzschlag steigt. Bin ich zu spät? Das ist unmöglich.
»Sie hat noch einen Puls.« Miras Worte sind wie eine Pikfrucht für meine Seele. »Ich befürchte, sie hat viel Blut verloren. Die Wunde benötigt einen Verband.«
Pikfrucht. Das ist es! Mit zitternder Hand wühle ich in ihrer Tasche. Die meisten habe ich aber leider schon bei Norbert verwendet. Ich zerdrücke die Medizin über ihre schwere Wunde und verreibe sie sanft. Tränen wandern meine Wangen entlang und die Nase läuft. Bei Stellux, bitte Anna. Verlass mich nicht auch noch! Ich wickle mit schwitzigen Händen den letzten Verband in der Tasche um ihre Hüfte. Mira hilft mir dabei.
»Wir bringen sie schnell aus dem Rauch.« Ich hebe sie mit aller Kraft an.
Mein Körper wehrt sich gegen die Anstrengung. Aber das ist mir egal. Das Holz und den Karren habe ich auch geschafft. Diesmal hängt Annas Leben davon ab. Ich gebe nicht nach.
Mit verkrampftem Gesicht und verzweifeltem Stöhnen schreite ich voran. Komm schon, Noel! Einen Fuß vor den anderen. Das ist doch nicht so schwer!
Langsam aber beständig bewegen wir uns durch den Rauch, bis Vared mit einem lautem Rums wenige Meter vor uns in eine Ruine geschleudert wird. Die Erde bebt und ich verliere das Gleichgewicht. Damit Anna sanft fällt, behalte ich meine Hände unter ihr und sinke auf die Knie.
»Kommandant!«, ruft Mira. Sie eilt zu ihm.
Vared liegt zwischen einigen Steinen. Er befreit sich aus eigener Kraft und richtet sich mit seinem Schwert auf. Seine Kleidung ist von Krallen zerfetzt. Der linke Arm hängt voller Blut an seiner Schulter herunter. Er bewegt ihn nicht. Der Rest des Körpers weist ebenfalls tiefe Wunden auf.
»Das ist ein harter Brocken. Ich befürchte, länger halte ich ihn nicht auf.« Er spuckt etwas Blut neben sich auf den Boden. »Ich bin ohnehin nicht in Topform. Die Rückenbeschwerden sind lästig.«
»Wir verschwinden besser, bevor dieses Monster uns findet.« Mira eilt voraus.
»Halt!« Vared greift sie am Arm. »Dafür ist es zu spät, Malnada.« Er zeigt mit ernstem Gesicht in meine Richtung.
Das Beben hinter mir wird lauter. Mit jedem Moment nimmt die Hitze zu. Lucky knurrt und fletscht die Zähne. Der Ignaeria ist ganz nah. Ich fühle es.
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