November 2020, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten.
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Mit schnellem Schritt eilen wir über den Valan-Pfad. Hannelore ist bei Anna auf dem Arm, da sie mit unserer Geschwindigkeit sonst nicht mithält.
Dieses Mal beachten wir die Steinmarkierungen am Rand nicht. Dafür ist keine Zeit! Es ist schon Nachmittag und das Dorffest ist in knapp drei Stunden. Nicht auszudenken, wie wütend Vater ist, wenn wir bis dahin kein Lebenszeichen von uns geben.
»Meinst du, Nika kann uns wirklich helfen?«, frage ich Anna. »Schließlich wirkte sie das letzte Mal stark geschwächt.«
»Das stimmt. Aber Torwald sagte sie sei die Einzige, die ihn aus diesem dunklen, stickigen Verlies befreien kann. Valan zu überlisten, um an den Schlüssel zu kommen, funktioniert ohnehin nicht. Das schaffen wir zeitlich nicht mehr.«
Da hat sie recht. Dennoch bin ich überfragt, wie Nika uns helfen soll. Was hat sich Torwald dabei gedacht?
Wir sind wieder bei der Kreuzung angelangt.
»Hier haben wir das letzte Mal Torwald getroffen.« Ich bleibe kurz stehen, um durchzuatmen.
»Richtig.« Anna zeigt den namenlosen Pfad entlang. »Wir müssen nach links. Dort ist die Höhle der Wölfe!«
Das letzte Mal hat mir die Erkundungstour besser gefallen. Zwischendurch erhasche ich Pflanzen und Tiere am Wegesrand. Sie wären alle einen Entdeckereintrag wert. Aber die Zeit drängt zu sehr. Das ganze Dorf ist möglicherweise in Gefahr!
»Ich mache mir wirklich Sorgen!«, äußere ich mich. »Was, wenn wir es nicht rechtzeitig schaffen und der Dorfgemeinschaft etwas Schreckliches zustößt? Schließlich sind heute alle unbesorgt zusammen und feiern!«
»Ach! Wir schaffen das! Wir sind das Entdeckerteam! Schon vergessen?« Anna zwinkert mir zu.
Bei Stellux, ich hoffe, dass es stimmt, was sie sagt. Torwald wirkte sehr besorgt! Wir müssen uns beeilen!
Wenige Minuten später erreichen wir die Wolfshöhle. Ich presse erschöpft die Hände auf den Oberschenkel und atme tief durch. Auch Anna erholt sich einen Moment und lässt Hannelore wieder zu Boden.
»Wir sind endlich da. Ich hoffe sie ist auch wirklich hier«, sage ich.
»Die Wölfe sind jedenfalls da.« Anna weicht einen Schritt zurück.
Das Rudel umkreist uns und bleckt die Zähne. Ein Rückzug ist nicht mehr möglich. Hannelore positioniert sich Schutz suchend zwischen Annas Beinen.
»Nika!«, ruft Anna in Richtung der Höhle. »Wir brauchen dringend deine Hilfe. Torwald ist in Gefahr!«
»Nika!« Ich wiederhole den Ruf. Die Wölfe kommen uns immer näher. Ihr Blick ist alles andere als freundlich.
Plötzlich ertönt ein Heulen aus der Höhle und die Meute hält inne. Das Alphatier erscheint. Er nähert sich langsam dem Geschehen, bis er vor Anna steht. »Lucky! Wow! Deine Pfote sieht schon wieder viel besser aus.« Sie kniet sich auf den Boden.
Bei ihm empfindet sie keinerlei Furcht. Aber auch Lucky verhält sich anders. Er schnuppert an ihr und wedelt mit seinem Schwanz.
»Wie schön! Er erinnert sich an mich.« Anna streichelt ihm über das Fell. Hannelore sucht verängstigt Zuflucht bei mir. Wer weiß wie hungrig diese Meute ist, nachdem Torwald sich heute nicht um sie gekümmert hat.
»Sieh mal einer an.« Eine vertraute Stimme erklingt aus der Höhle. »Ihr seid die mutigen Kinder von gestern. Wollte euch mein Liebster nicht heute aus dem Wald führen?« Nika kommt langsam aus der Höhle hervor und schaut sich um. »Wo ist er? Warum ist er nicht bei euch?«
»Das ist der Grund, warum wir hier sind«, antworte ich hektisch. »Torwald ist in Gefahr! Er hat uns zu dir geschickt und meinte, dass du uns helfen kannst, ihn zu befreien. Er wird im Dorf, im Verlies unter der Kirche, gefangen gehalten.«
»Was? Das ist furchtbar! Erzählt mir bitte, was seit gestern passiert ist.« Ihr Augen glühen grünlich und sie macht eine Handbewegung zur Seite. Die Wölfe, mit Ausnahme von Lucky, scheinen darauf zu reagieren. Sie entfernen sich von uns, bis sie den Eingang der Höhle erreichen.
Sie ist in der Lage die Wölfe zu kontrollieren. Das ist faszinierend. Ob sie dies auch mit anderen Tieren oder Pflanzen macht?
Bei Anna entdecke ich eine ähnliche Begeisterung in den Augen. Im Moment bleibt uns aber keine Zeit, das zu vertiefen. Als sich Nika auf einige Steine nahe der Höhle setzt, fordert sie uns auf, dass wir uns zu ihr gesellen. Anna, Lucky, Hannelore und ich zögern nicht lange und versammeln uns. Kurz und knapp erklären wir ihr, was seit gestern Abend passiert ist. Wir lassen dabei auch nicht aus, dass Torwald von einer Gefahr für die ganze Dorfgemeinschaft durch ein weiteres Dorf sprach.
»Ich verstehe. Das ist wirklich beunruhigend.« Nika holt ihren rechten Arm aus der Robe hervor und streckt ihn vor uns aus. Die Form ist menschlich. Der einzige Unterschied ist die grünliche Färbung und kleine Äste und Blätter, die aus ihm herauswachsen.
»Die Blätter sehen verwelkt aus.« Anna springt auf. »Sollen wir dir etwas Wasser holen?«
»Ich befürchte, Wasser wird mir nicht mehr helfen. Meine Lebenszeit neigt sich dem Ende.« Nika seufzt und schaut besorgt zu Boden. »In diesem Zustand kann ich euch und meinem geliebten Torwald nicht helfen. Es tut mir Leid, Kinder.«
»Du kannst uns nicht helfen?« Auch ich springe auf. Mein Herz pocht. »Was sollen wir jetzt tun? Du warst unsere einzige Hoffnung!«
»Das stimmt«, bestätigt Anna. »Einen anderen Plan, Torwald zu befreien, haben wir nicht. Die Zeit ist einfach zu knapp!«
Nika starrt in die Tiefen des Waldes. »Naja, eine Sache gibt es, die funktionieren könnte. Aber das ist sehr gefährlich! Darum sollte ich euch nicht bitten.«
»Gefährlich? Wenn es unser Dorf rettet, sind wir bereit! Oder Noel?« Anna ballt ihre Faust und wartet auf meine Reaktion.
»Auf jeden Fall! Was sollen wir tun?«
»Die Mastar-Quelle. Wenn ich Wasser aus dieser Quelle bekomme, verlängert sich meine Lebenszeit nicht nur, sondern sie erneuert sich vollständig und ich komme wieder zu Kräften. Es ist wie ein Verjüngungselixier.«
»Die Mastar-Quelle? Wo soll das sein? Davon habe ich noch nie in meinen Büchern gelesen.«
»Die Mastar-Quelle ist ein längst vergessenen Relikt aus vergangenen Zeiten. Sie befindet sich in den unterirdischen Gängen der Mastar-Ruinen. In diesem Wald - nicht weit von hier, südlich der Wegekreuzung. Ich bräuchte nur eine kleine Phiole Wasser aus der Quelle und ich kann euch helfen.«
»Wenn sie hier in der Nähe ist, warum hast du sie dann bisher nicht mit Hilfe von Torwald geholt?«, frage ich.
»Da gibt es ein Problem. Die Mastar-Ruinen haben einen Wächter – eine Kreatur. Mastar war einst auch ein Dorf mit vielen Bewohner. Doch es wurde von einem grausamen Schicksal ereilt und verwandelte sich in einen Friedhof voller Leid. Von diesem Schmerz wird die Kreatur angezogen. Angereichert mit einem unstillbaren Hunger auf Lebewesen, die bereits Leben von dieser Welt genommen haben. Torwald und mir ist es daher nicht möglich gewesen, die Quellen zu erreichen.«
»Warum sollten wir es dann schaffen? Das verstehe ich nicht.«
»Weil sie euch nicht erkennen kann. Lebewesen, die unbefleckt von Sünden sind, kann diese Kreatur nicht sehen. Ich spüre, dass ihr bisher noch kein Leben von dieser Welt genommen habt.«
»Ich verstehe!« Anna hebt aufgeregt den Zeigefinger. »Torwald ist Jäger! Das heißt, er jagt und tötet Tiere. Somit ist er nicht mehr unbefleckt. Aber was hast du getan, dass du nicht mehr unbefleckt bist?«
Sie schaut zu Nika hinüber, die ihre Kapuze abnimmt. Ihr Gesicht ist geprägt von einer Narbe, welche sich von der Stirn über das rechte Auge bis zu ihrem Kinn zieht. Aus der Nähe sind ihr Alter und ihre Schwäche deutlich sichtbar.
»Ich habe schon so viel erlebt. Da blieb es nicht aus, solche Sünden zu begehen. Für eine Erklärung ist aber keine Zeit. Ihr müsst aufbrechen, wenn wir es noch rechtzeitig schaffen wollen.«
Nika kniet nieder und berührt sanft mit ihren Fingern den Boden. Eine kleine Pflanze steigt empor und wächst rasend schnell.
»Unglaublich! Wie machst du das?«, fragt Anna.
»Wir nennen es »Idan«. In eurer Sprache kennt man es unter dem Begriff Magie. Sie tritt in den unterschiedlichsten Formen auf. In diesem Fall handelt es sich um Erdmagie.« Nika pflückt eine dunkelblaue Blume, die in einem hellen, blauen Licht erstrahlt.
So etwas habe ich noch nie gesehen. Neben mir sehe ich Anna mit weit aufgerissenen Augen auf die Blüte starren. »Wenn wir Torwald und das Dorf gerettet haben, will ich alles über diese Magie wissen. Du musst mir alles erzählen, was du weißt!«
»Alles zu seiner Zeit.« Nika reicht Anna die Blume. »Nehmt sie und tragt sie in den Mastar-Ruinen bei euch. Sie sorgt dafür, dass ihr in dem dort vorherrschendem Rauch gut atmen könnt.«
»Ein Rauch?«, frage ich irritiert nach. »Was ist das für ein Rauch und woher kommt er?«
»Er kommt von der Kreatur. Sie erzeugt ihn tagtäglich, während sie Luft in ihren Körper saugt und anschließend verbrennt. Im schlimmsten Fall entsteht durch den Rauch ein Regen, der große Schäden in der Natur verursacht. Wundert euch also nicht, wenn die Mastar-Ruinen sehr abgestorben aussehen.«
»Der Ignaeria! Noel! Das muss der Ignaeria sein, von dem dein Vater gesprochen hat.«
Erstaunt schaut Nika zu Anna hinüber. »Wie es scheint, habt ihr von dieser Kreatur schon gehört.«
»Wir haben heute morgen seine Spur auf dem Pfad nach Istal gesehen. Die Fußspuren waren riesig!«
»Ihr solltet jetzt wirklich losgehen. Die Zeit drängt! Solange ihr die Blume bei euch tragt und den Ignaeria nicht provoziert, seid ihr in Sicherheit. Folgt dem Mastar-Pfad bis zum Ende und ihr könnt euer Ziel nicht verfehlen. Haltet in den Ruinen nach einem Zeichen von einem Brunnen an den Wänden Ausschau. Es wird euch den Weg zu eurem Ziel leiten.«
»Aber wie transportieren wir das Wasser aus der Quelle wieder zu dir?«, frage ich.
»Das ist kein Problem.« Anna holt eine kleine Phiole aus ihrer Tasche. »Das sollte reichen, oder?«
Nika nickt. »Ich wünsche euch viel Glück. Das Schicksal von Torwald, dem Dorf und euch selbst liegt nun wie es scheint in euren Händen.«
Mit einer Geste verabschieden wir uns von Nika und den Wölfen. Ich schaue an den Baumkronen vorbei in den Himmel. Auf welchen Weg führst du uns hier Stellux? Ich hoffe und bete dafür, dass alles gut ausgeht.
»Noel! Nicht träumen!« Anna erhöht das Tempo. »Wir haben keine Zeit mehr!«
Ich laufe schneller. Auf zu den Mastar-Ruinen!
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